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Marlene Sokoll
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Serie [Krimi, Drama]

Inside Man

David Tennant als Pfarrer in Inside Man

Netflix
Eine Staffel, 4 Folgen
Krimi, Drama 

Das Gefährlichste für uns sind unsere Mitmenschen. Das weiß nicht nur jeder True Crime-Fan, sondern auch der Verurteilte Mr. Grieff: “Es gibt Momente, die uns alle zum Mörder machen.” Dass in jedem von uns etwas Schreckliches steckt, das ist das Motto dieser Serie: Inside Man will uns den durchschnittlichen Bürger nahe bringen, der durch die falschen Umstände zu einem Täter wird. In dieser Geschichte wird ein Pfarrer zum Schwerverbrecher und ein zum Tode Verurteilter zum Ermittler - und das Netz aus Lügen und Intrigen verdichtet sich mit jeder Folge.

Stanley Tucci als Hochsicherheitsgefangener
Netflix © 2022

Pfarrer Harry ist beliebt in seiner Kleinstadt. Als liebender Ehemann, fürsorglicher Vater und charismatischer Redner lebt er ein unaufgeregtes Leben. Es ist eine Verkettung von Zufällen, die ihn dazu bringt, die Nachhilfe-Lehrerin seines Sohnes im Keller einzusperren und immer weiter auf den falschen Pfad abzudriften. Um seine Familie zu beschützen greift er zu drastischen Mitteln - und das ist genau so spannend wie es klingt. David Tennant liefert in gewohnter Qualität und bringt die wirklich erzählenswerte Geschichte dieser Serie auf den Bildschirm: als Film oder drei Folgen-Feature wäre das Drama um den Pfarrer und seine Familie wirklich erzählenswert. Nur folgt bald noch eine zweite Storyline, und deren Sinn erschließt sich bis zum Ende nicht so wirklich.

David Tennant mit der Nachhilfelehrerin seines Sohnes
Netflix © 2022

Mr. Moffat, sind Sie es?

Stanley Tucci und Atkins Estimond sind es, die den Cast vervollständigen. Die beiden zum Tode verurteilten Verbrecher fristen ihr Dasein in einem amerikanischen Hochsicherheitsgefängnis und nehmen trotzdem jede Menge Kriminalfälle von verzweifelten Klienten an. Diese löst Stanley Tucci dann, indem er angestrengt nachdenkt und die Intentionen der Menschen analysiert - natürlich nicht ohne trockenen Humor und mitleidlose Rationalität. ...moment mal. Kommt euch das auch bekannt vor? Spätestens wenn Mr. Grieff den Leuten mit seiner empathielosen Art auf die Füße tritt, nur um den Fall dann mit gewitzter Logik zu lösen, dann kommt man nicht umhin, die Parallele zur BBC-Serie Sherlock zu ziehen. Und siehe da: Steven Moffat, Headwriter von Inside Man, ist auch der Erschaffer der Detektivserie. Ist einem die Parallele erst einmal aufgefallen, nimmt die Serie leider rapide an Schwung ab. Plötzlich erscheinen die Dialoge vorhersehbar, der britische Sarkasmus wirkt abgedroschen. Es scheint, als könne Moffat einfach nicht von seiner Lieblingsserie ablassen und müsse noch einmal unter Beweis stellen, was für raffinierte Fälle er sich ausdenken kann - und die spinnen sich dann scheinbar völlig bezugslos um die eigentlich interessante Story des Pfarrers. Da kann Tucci noch so überzeugend spielen: wenn die beiden Storylines am Ende aufeinandertreffen, fühlt sich das eher nach einem Muss an, als nach einer natürlichen Entwicklung. Schade!

 

Ein seltsamer Soundtrack, ein überzogenes Finale und jede Menge emotionale Feuerreifen

Am Ende kann Moffat dann einfach nicht genug bekommen. Anstatt sich auf das spannend erzählte Charakterdrama zu verlassen verliert er sich schon ab Folge 2 in dramatischen Überhöhungen, die einige Logiklücken und Stirnrunzler zurücklassen. Im Finale überdreht das alles dann dermaßen, dass plötzliche Todesfälle der Protagonisten reflexartig ein Lachen auslösen: “Moment mal, was...?” ist dann die Reaktion, die man so einige Male auf den Lippen hat. Der farblose Song, der in jeder Folge mehrfach zum Einsatz kommt, hat genauso wenig Charakter wie die Auflösung der Serie. Manchmal ist weniger einfach mehr: aber das scheint der Fluch zu sein, an dem auch schon Sherlock eingeknickt ist. Aus einem bestechend einnehmenden Anfang wird ein Tohuwabohu aus kontextlosen Plotlines. Immerhin wegen der Schauspieler lohnt sich das Einschalten, denn die arbeiten sich tapfer durch die eingängigen Dialoge und sagen am Ende auch zum fünften Mal nochmal brav die Moral der Serie auf: in uns allen steckt ein Mörder, schon verstanden...

Fazit: Leider keine Binge-Empfehlung. Auch, wenn der Cast einen tollen Job macht, ist man mit Sherlock Staffel 1-3 besser bedient.


Unsere Serien- und Film-Expertin

Hannah Schürkamp - Film-Enthusiastin & Studentin (Geschichte, Englisch)

Hannah Schürkamp sitzt auf einem Sofa und schaut zur Seite
Foto: Sebastian Schütte

Nach zwei Semestern Medien-Studium habe ich mich schlussendlich dagegen entschieden, beruflich am Set zu arbeiten - meine Begeisterung für Filme und Serien hat dadurch jedoch nicht abgenommen. Egal welches Genre, ob Streaming, Kino oder DVD, Hollywood-Klassiker oder Low Budget-Produktion: sowohl gute als auch weniger gute Filme schaue und diskutiere ich unvoreingenommen und mit viel Liebe für die Sache.

Über Anregungen und Kommentare freue ich mich!